Camille Claudel, Französischer Bildhauer
- npoelaert0
- 15. Aug.
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Schatten und Stein |
Am 8. Dezember 1864 wurde Camille Claudel in der eisigen Stille eines Winters in der Champagne geboren. Schon in jungen Jahren knetete sie mit geschickten und entschlossenen Fingern Ton, als hinge ihr Leben davon ab. Ihre bürgerliche und starre Familie sah diese leidenschaftliche Hingabe mit schlechtem Auge. Besonders ihre Mutter verzieh ihr nie diese Berufung, die einer gut geborenen jungen Dame unwürdig war. Doch nichts konnte sie aufhalten. Mit 17 riss sie ihre Familie aus der Provinz und zog sie nach Paris, wo sie ihr Schicksal erobern wollte. Doch die Kunstwelt im ausgehenden 19. Jahrhundert war nicht freundlich zu Frauen. Die Beaux-Arts waren ihnen verschlossen. Sie musste sich mit einem Damenatelier begnügen, in dem Blumen und Engel geformt wurden, weit entfernt von den kraftvollen Körpern und stürmischen Leidenschaften, die sie bewegten. Das Schicksalhafte Treffen1881 kreuzte sich ihr Weg mit dem von Auguste Rodin. Sie war 20, er 43. Sie war feurig, talentiert und durstig nach Anerkennung; er war bereits ein Meister, ein respektierter Mann, der an eine andere gebunden war. Sie wurde seine Schülerin, seine Mitarbeiterin, dann seine Geliebte. Fünfzehn Jahre lang waren ihre Leben in einem Strudel aus Schöpfung und Leid verstrickt. Sie arbeitete in seinem Schatten, meißelte seine Marmorwerke, verlieh seinen Visionen Leben und nährte dabei ihre eigenen. Doch Rodin würde sie nie wählen. Er blieb ein Gefangener seiner Gefährtin Rose Beuret und seiner eigenen Dämonen. Camille hingegen zehrte an sich selbst. Sie verlor ein Kind – ob durch erzwungene Abtreibung oder Fehlgeburt, niemand würde es je wissen – und versank jeden Tag ein bisschen mehr. Der Verrat war zweifach: Er stahl ihre Ideen, ihre Skizzen, ihre Träume. Als sie erkannte, dass er sie nie verlassen würde, zerstörte sie alles. Sie verließ seine Werkstatt, seine Liebe und versuchte, ein eigenes Leben aufzubauen. Inneres ExilIhr Atelier auf der Île Saint-Louis wurde ihr Refugium und ihr Gefängnis. Dort schuf sie Werke von seltener Intensität: Der Walzer, in dem zwei Liebende wie in einem makabren Tanz fortgerissen scheinen; Das reife Alter, in dem ein Mann einer knienden, flehenden Frau entrissen wird; Die kleine Burgherrin mit ihrem leeren Blick, als wäre sie von Abwesenheit heimgesucht. Ihre Skulpturen waren erstickte Schreie, Geständnisse, die sie einer tauben Welt ins Gesicht warf. Doch Paris wollte keine Frau, die es wagte, die Nacktheit der Seele zu zeigen. Aufträge wurden seltener. Armut drohte. Auch der Wahnsinn. Sie begann, ihre eigenen Werke zu zerstören, überzeugt, dass Rodin und seine Jünger verschworenen, um ihr Genie zu stehlen. Ihre Briefe wurden unzusammenhängend und verzweifelt. Ihre entsetzte Familie wandte sich ab. EinsperrungIm März 1913 starb ihr Vater. Acht Tage später wurde sie auf Anordnung ihrer Mutter und ihres Bruders Paul – der später ein gefeierter Schriftsteller werden sollte – gewaltsam in die Anstalt Ville-Evrard eingewiesen. Die Diagnose war eindeutig: „mystischer Wahnsinn“, „Paranoia“. Niemand würde kommen, um sie zu holen. Nicht einmal, als Ärzte Jahr für Jahr bestätigten, dass sie geheilt sei. Dreißig Jahre lang irrt sie zwischen den Mauern von Montfavet in der Vaucluse umher, von allen vergessen. Sie schrieb, flehte, fluchte. Ihre einst so geschickten Hände berührten keinen Ton mehr. Man ließ sie langsam sterben, in allgemeiner Gleichgültigkeit. Am 19. Oktober 1943 starb sie einsam in einem psychiatrischen Krankenhausbett. Ihr Körper wurde in ein Massengrab geworfen. Keine Blumen. Keine Gebete. Nichts. Postume AuferstehungErst in den 1980er Jahren erinnerte sich die Welt. Dank eines Buches, Eine Frau von Anne Delbée, und dann eines Films, Camille Claudel mit Isabelle Adjani, tauchte ihr Name endlich wieder auf. Ihre Skulpturen, verstreut und vernachlässigt, wurden wiederentdeckt. Man erkannte an, was Rodin selbst immer gewusst hatte: Sie war seine Gleichgestellte, vielleicht sogar seine Überlegene. Heute thronen ihre Werke im Musée d’Orsay, in Nogent-sur-Seine, wo ihr ein Museum gewidmet ist. Doch diesen Ruhm würde sie nie erleben. Camille Claudel hatte nicht das Leben, das sie verdiente. Sie hatte das Leben, das die Welt ihr aufzwang: ein Leben des Kampfes, des Schmerzes und schließlich der Auslöschung. Doch in jeder Kurve ihrer Bronzen, in jeder Falte ihrer Marmorwerke überlebt etwas von ihr. Ein Aufstand. Ein Genie. Ein Schatten, der sich weigert zu vergehen. „Sie kämpfte gegen ihr Jahrhundert, gegen die Männer, gegen sich selbst. Und sie verlor. Doch ihre Kunst gewann die Ewigkeit.“ |



